Die Gabe des Rates
von Bischof Viktor Josef Dammertz* († 2020)
„Guter Rat ist teuer“, sagen wir. Denn er ist so wenig selbstverständlich. Und gerade darum unendlich wertvoll . Wie gut, jemanden zu haben, der mir ehrlich rät. Er ist mir nahe, denkt sich in mich hinein. Sorgt mit, daß es gut mit mir ausgeht. Nimmt mich ernst und läßt mir doch die Freiheit, bevormundet mich nicht. Bleibt mir Freund auch dann, wenn ich mich am Ende anders entscheide. Trotzdem fällt es oft so schwer, einander um Rat zu bitten. Damit zeige ich mich abhängig, manchem nicht alleine gewachsen. Das ist nicht gefragt in einer Zeit, wo Unabhängigkeit, Individualität, Selbständigkeit als die großen Ideale gelten. Nie vorher aber brauchten wir so viele Beratungsstellen wie heute: für Ehe-, Familien-, Lebensfragen, bei Schulden- und Drogenproblemen, Gemeindeberatung. Alleine werden wir nicht mit allem fertig. Wie menschlich, ja wie zeitgemäß ist da Gottes Zusage, uns die Gabe des Rates zu schenken. Wenn wir uns durch das Leben seines Sohnes Orientierung schenken lassen, die Fragen unserer Zeit in seiner Gegenwart bedenken, Gottes Gebote als seinen guten Rat zum Leben entdecken. Wenn wir der Stimme unseres Gewissens folgen. Wenn wir aufmerksam sind für die Zeichen unserer Zeit, hellhörig füreinander. Wenn wir Schwierigkeiten und Zweifel gemeinsam bedenken. Dann dürfen auch wir Menschen von heute dankbar beten: „Ich preise den Herrn, der mich beraten hat“ (Ps 16.7).
Gebet
Heiliger Geist,
unübersehbar sind Informationen und Meinungen,
faszinierend die unzähligen Möglichkeiten,
bedrohlich die Probleme unserer Zeit.
Ratlosigkeit befällt uns,
wir suchen Wegweisung und Trost.
Mach deine Verheißung an uns wahr
und steh uns bei mit der Gabe deines Rates.
Komm – wenn unsere Klugheit am Ende ist.
Komm – wenn wir im Zweifel sind,
was recht ist und unrecht.
Komm – wenn wir nur auf uns selber vertrauen wollen
Komm – wenn wir mutige Schritte wagen sollen.
Komm – wenn die Menschen auf unsere Hilfe warten.
Komm – damit unsere Welt in eine gute Zukunft geht.
*Der Text stammt aus der Renovabis-Pfingstnovene "Die Gaben des Heiligen Geistes" von 1996, der Autor ist in seiner Funktion zu diesem Zeitpunkt genannt.